Sonntag, 6. März 2016

Smarte Lösungen für die urbane Logistik

Bild: Kristian Kirk Mailand
Unsere Städte stehen aufgrund der zunehmenden Wanderbewegungen vor extremen Herausforderungen: Die bestehende Infrastruktur ist nicht auf den zunehmenden Individualverkehr eingestellt und kann nur langsam ausgebaut werden. Auch die zukünftigen Städte stehen vor erheblichen Unwägbarkeiten in der Planung.
Auch außerhalb der Städte stockt streckenweise der Verkehr – beispielsweise aufgrund mangelnder Instandsetzung der Infrastruktur. So müssen teilweise marode Brücken für den Lkw-Verkehr gesperrt werden. Gleichzeitig steigen in Folge des E-Commerce die Zahl der Pakete in den Städten und auf dem Land: einzeln verpackte Bücher, CDs, Schuhe und zahlreiche weitere Produkte füllen zunehmend die Zustellsysteme. Allein 2014 wurden deutschlandweit 2,7 Milliarden Sendungen von den Kurier-, Express- und Post-Diensten (KEP) transportiert und ausgeliefert – dies sind etwa 60 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Infolge verschärfen sich die Themen Verkehrsaufkommen und Instandsetzungsbedarf.
Zur Lösung dieser Herausforderung arbeiten Handel, Logistikdienstleister, Fahrzeughersteller, Stadtplaner, Wirtschaftsförderungen und IT-Dienstleister eng zusammen. Gefragt sind neue Strategien zur Versorgung der Städte. Diese müssen allerdings über die Infrastruktur als solches hinausgehen und die Stadt als eigenständiges Eco-System betrachten. Aus logistischer Sicht ist der Wandel von Transportmodus zu neuen integrierten Modellen gefragt.
Ein Schwerpunkt liegt dabei auf neuer Technologie und besserer Nutzung bestehender Kapazitäten in der City-Logistik: Dabei sind Elektrofahrzeuge und E-Bikes, die Nutzung von Straßen- und U-Bahnen für den Transport von Gütern oder die nächtliche Nutzung von Parkhäusern als Zwischenlager nur einige Stichworte. Ein weiterer Ansatzpunkt sind Urban Consolidation Center außerhalb der Städte. Von hier aus werden die verschiedenen Lieferungen beispielsweise an Krankenhäuser, Behörden oder ein Hotel gebündelt ausgeliefert. Andere Sendungen lassen sich nach Straßenzügen oder Stadtviertel so zusammenfassen, dass Kapazitäten optimiert und somit weniger Zustellfahrzeuge benötigt werden.
In der Regel erfolgt die Zustellung der Sendungen klassisch über die Straße. Anders in Gent: Hier wurden im Rahmen eines Pilotprojektes Baustellen über die Wasserwege versorgt. Dazu pendelten spezielle Schiffe – eine Kombination aus Schubkahn und Schubschiff – zwischen einem Konsolidierungszentrum am Stadtrand und der Innenstadt. Die Vorteile: Zehn Fahrten mit dem Schiff ersetzten 75 Lkw-Fahrten durch die Stadt. Auch der Bauschutt konnte mit etwa 60 Tonnen pro Fahrt schneller entfernt werden. In Stillstandphasen wurden die Wasserfahrzeuge zudem als Zwischenlager genutzt. Aufgrund des Erfolgs soll 2016 ein regionales Netz aus Distributions- und Konsolidierungszentren für das Baugewerbe implementiert werden, bei dem die Wasserstraßen als Hauptverkehrsweg Nutzung finden sollen.
Auch viele Häfen sind integraler Bestandteil der urbanen Welt. Dort kommt zunehmend die IT zum Zug. Mit Intelligenten Leitsystemen lassen sich Güterverkehre so steuern, dass Staus vermieden werden. Getestet wird dies zurzeit am Hamburger Hafen: Lkw-Fahrer, die am Hamburger Hafen einen Container übernehmen möchten, müssen beispielsweise vor der Stadt warten, bis ihre Ware tatsächlich verladebereit ist. Erst dann können sie den Hafen anfahren. So soll der Dauerstau aufgrund der langen Wartezeiten am Hamburger Hafen in Zukunft vermieden werden.
Genutzt wird im Hamburger Hafen eine spezielle WLAN-Kommunikation, die „Vehicle-to-X Kommunikation“ (V2X): Fahrzeuge kommunizieren damit drahtlos mit Ampeln, Verkehrsschildern, Baustellen und anderen Infrastrukturelementen. So lassen sich beispielsweise die Grünphasen an intelligenten Ampeln für Fahrzeugkolonnen verlängern, um so eine verzögerungsfreie und somit treibstoff- und emissionsoptimierte Fahrt zu ermöglichen.
Auch in anderen Bereichen wird die Digitalisierung zur Optimierung der City-Logistik beitragen. So können RFID-Chips an den Transportgütern dabei helfen, diese schneller und zuverlässiger in den Konsolidierungszentren zu sortieren. Das Internet der Dinge eröffnet zudem die Möglichkeit, dass Zusteller unterwegs Pakete von verschiedenen anderen Transporteuren übernehmen, um so die Zahl der Zustellfahrten zu reduzieren.
Auch die Share Economy nimmt ihren Einfluss auf die Welt des Gütertransports: Vielleicht stellt morgen auch der Nachbar unsere Sendungen zu, wie das Beispiel Nimber in Norwegen und im Vereinigten Königsreich zeigt. Ob in naher Zukunft autonome Fahrzeuge – welche weniger Raum benötigen und zudem mit geringerem Energieverbrauch und Unfallrisiko betrieben werden können – sowie Transportdrohnen das Stadtbild prägen, hängt primär von der Akzeptanz der Konsumenten und Bürger sowie der Einschätzung und Vision der lokalen Städteparlamente ab. Daher ist meine abschließende Frage: Wie ist Ihre Haltung zum Thema autonome Fahrzeuge?

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