Dienstag, 29. November 2016

Die Realität hinter der vermeintlichen Uberisierung

Während Electrolux mit der Idee des Ubers für Wäsche experimentiert, beschäftigt sich der Europäische Gerichtshof heute in Luxemburg mit der Klage einer spanischen Taxigewerkschaft gegen Uber. Vor Gericht geht es dabei um keine geringere Frage als die, ob Uber ein Transportunternehmen oder eine App ist.

Das Urteil, das für März erwartet wird, soll Modellcharakter für die Regulierung von Technologieplattformen in der EU haben – und sich damit auch auf Anbieter wie AirBnB und BlaBlaCars auswirken. Diese würden sich künftig entsprechenden Vorschriften unterwerfen müssen.

Doch ganz gleich, wie sich der Europäische Gerichtshof entscheidet: Wir werden weiterhin Apps nutzen, um Taxen via Uber oder anderen Apps zu bestellen und die Nutzung von Mietwagen von Zipcar und anderen Anbietern zu planen. Es wird weiterhin Frachtenbörsen geben, um Frachtraum gemeinsam zu nutzen. Und der klassische Flohmarkt, den wir alle noch aus Kindertagen kennen, wird weiterhin auf eBay und anderen Plattformen sein neues zu Hause finden.

Wir werden also unabhängig von dem Urteil weiterhin Angebote und Dienstleistungen nutzen, die wir seit Jahrzehnten kennen. Und uns dabei darüber freuen, dass dies leichter ist als noch vor Jahren. Denn neu ist nur der Zugang: Dank Digitalisierung müssen wir nicht mehr einzelne Flohmärkte abklappern, sondern können rund um die Uhr stöbern. Vom Sofa aus. Dank des digitalen Zugangs zu Nachfrage und Angebot auf Plattformen für unterschiedlichste Angebote und Dienstleistungen lässt sich heute nahezu alles leichter, schneller und umfassender organisieren als in den analogen Jahren. Denn dank Internet haben wir schnell und ohne Umweg über die verschiedensten Vermittler direkten Zugang zu Hotels, privaten Gästezimmern, Fahrkarten, Flugtickets und vielem mehr. Inklusive Lebensmittel, Kleidung, Büchern und sogar der „immateriellen“ Energie.

Seit den Anfängen des Internets ist so ein hochtransparenter Marktplatz entstanden, der sich immer weiter entwickelt und immer weiter wächst. Und genau wie im analogen Leben, fallen für die Nutzung des Marktplatzes Gebühren an. Es gibt Tendenzen zu vertikalen und horizontalen Monopolisten, die durch die Nachfrage der Konsumenten gestärkt werden. Denn auch wenn der Wettbewerb nur einen Mausklick entfernt ist, möchte der Verbraucher nicht aufwändig verschiedene Online-Angebote miteinander vergleichen müssen. Er bevorzugt Plattformen, die die unterschiedlichen Angebote für ihn sammeln und vergleichen. Er will die eine allumfassende Plattform für jede leicht abzugrenzende Kategorie.

Gäbe es viele Plattformen, wäre es mit dem einfachen Zugang auch schon wieder vorbei: Käufer und Verkäufer müssen dann wieder auf verschiedenen Plattformen suchen, und wie zuvor aufwändig beispielsweise viele verschiedene digitale Flohmärkte besuchen. Trotzdem bedeutet dies nicht, dass es Wettbewerb in bestimmter Form nicht mehr geben wird – auch heute haben wir die Wahl zwischen Ebay, Amazon, Allyouneed und anderen Plattformen. Sie alle greifen Konzepte auf, die es in analoger Form bereits gab. Sie grenzen sich durch Angebot und Zielgruppe ab.

Natürlich hat das digitale Zeitalter unsere Welt, unser Leben bereits maßgeblich geändert. Genauso, wie es die Industrialisierung nach der Erfindung der Dampfmaschine getan hat. Insbesondere im Bereich des Zugangs und der Schnittstelle. Die vierte industrielle Revolution, d.h. die Verschmelzung von physischer, digitaler und biologischer Welt, wird dies noch wesentlich weitertreiben.

Die Digitalisierung hilft uns zumindest teileweise, gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen einfacher zu meistern. Dank Sharing Economy können Ressourcen besser genutzt, Kapazitäten besser ausgelastet und Abfälle vermieden werden. Auch können Maschinen, Geräte und andere Gegenstände des täglichen und beruflichen Lebens Dank Kunden-Scoring und Internet der Dinge besser eingschätzt und gewartet werden.

Angesichts der großen Herausforderungen brauchen wir allerdings mehr als nur besser genutzte Kapazitäten, mehr als nur lineare Verbesserung. Wir brauchen ein Umdenken, das sich unter anderem in neuen Konzepten wiederspiegelt.

Beispiel City-Logistik: Der Einsatz von Technologie wird dazu beitragen, den Verkehr flüssiger zu machen, Staus und stockenden Verkehr zu verringern. Auch der CO2-Ausstoß wird durch neue Ansätze gemindert. All das verzögert jedoch nur den Kollaps, wird ihn nicht verhindern. Denn wenn sich grundsätzlich nichts ändert, nimmt der Verkehr in welcher Form auch immer einfach dennoch weiter zu.

Anders ausgedrückt: Die Digitalisierung kann uns helfen, unsere Welt immer mehr zu optimieren. Sie nimmt uns aber nicht die verantwortungsvolle Gestaltung und Organisation ab. Nicht die Entscheidung, in welcher Welt wir schlussendlich leben wollen. Sie wird die Verwerfungen in unserer Gesellschaft ebenso ohne weiteres wegzaubern können wie die Umweltbelastungen. Es gibt keine unsichtbare Hand, die am Ende alles gut macht.

Die Frage ist also, was wir anstreben: Eine Welt, in der wir alles graduell verbessern – aber immer wieder an Grenzen stoßen. Oder eine Welt, in der wir entscheiden, was wir unter Berücksichtigung aller Faktoren wirklich benötigen und die Konsequenzen dieser Entscheidung kollektiv tragen?

Wir könnten morgen den Individualverkehr aus den Städten verbannen und den Güterverkehr mit entsprechenden Auflagen „sauber machen“. Und trotzdem die Mobilität und die Versorgung des Einzelnen gewährleisten.

Ein solcher Schritt bedarf weder der Digitalisierung noch der Uberisierung – er setzt allerdings Entschlossenheit und Courage voraus: Fortschrittlich denkende Bürgermeister und Bürger, die entschlossen miteinander arbeiten und bereit sind, Gewohnheiten in Frage zu stellen und Weichen neu zu stellen. Für neue Wege in eine bessere Zukunft.









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